Kieferorthopädie und Logopädie

14. Februar 2022

Dass Kieferorthopäden und Zahnärzte Kinder zum Logopäden schicken, ist keine Seltenheit. Doch wie hängen Zahn- und Kieferfehlstellungen eigentlich mit dem Fachgebiet der Logopäden – Sprechen, Stimme und Schlucken – zusammen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen und erklären, warum Kieferorthopäde, Zahnarzt und Logopäde sich abstimmen sollten.

Kieferorthopädie und Logopädie: Wie passt das zusammen?

Zähne, Kiefer, Mundmuskulatur wie Lippen und Zunge bilden eine funktionelle Einheit. Beispielweise kann ein fehlender Lippenschluss zu vorstehenden Zähnen führen oder eine Zunge, die in Ruhestellung, beim Schlucken oder Sprechen falsch im Mund liegt, die Stellung der Zähne negativ beeinflussen. Umgekehrt können Fehlstellungen der Zähne und Kiefer zu falschen Zungenbewegungen und Sprachproblemen führen. In diesen Fällen müssen Kieferorthopäden und Logopäden zusammenarbeiten. Der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie behebt die Fehlstellung, der Logopäde übt mit dem Patienten die korrekte Lage bzw. die korrekten Bewegungsmuster von Lippen und Zunge. Der korrekte Lippenschluss ist die Voraussetzung für eine regelrechte Zungenlage.

 

Welche Rolle spielen Lippenschluss und die Zunge?

Bei Neugeborenen und kleinen Kindern ist es normal, dass die Zunge sich beim Schlucken nach vorn, also in Richtung Lippen bewegt. Das wird auch als kindliches oder viszerales Schluckmuster bezeichnet. Zwischen dem zweiten und dem vierten Lebensjahr sollte sich das ändern: Die Zunge sollte dann beim Schlucken hinter den geschlossenen Zahnreihen bleiben und diese nicht berühren. Wenn diese Umstellung auf das somatische Schluckmuster ausbleibt und das Kind stattdessen das viszerale Schluckmuster beibehält, drückt die Zunge bei jedem Schluckakt gegen die Zähne – das ist 1000 bis 2000 Mal am Tag der Fall. Die Zunge übt dabei jeweils eine Kraft von 1,5 bis 3 Kilogramm aus. Manchmal liegt die Zunge auch in Ruhe oder beim Sprechen zu weit vorn („Lispeln“) und stößt an die Zähne an oder wird sogar zwischen den Zähnen hindurchgepresst. Das begünstigt Zahn- und Kieferfehlstellungen wie hervorstehende Frontzähne oder einen offenen Biss mit einer Lücke zwischen oberer und unterer Frontzahnreihe.

 

Wie lange dauert die logopädische Behandlung?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt unter anderem von der Komplexität der Störung, vom Alter und von der Mitarbeit des Patienten ab. Eine Verordnung umfasst in der Regel sechs bis zehn Therapiesitzungen. Damit Umstellungen aber langfristig verinnerlicht werden (Automatisierung) braucht es häufig Folgerezepte.

 

 

Zunge, Atmung und Schluckmuster hängen zusammen
Der Lippenschluss und die Zungenfunktion sollten frühzeitig überprüft werden I Quelle: pexels

 

Was man pauschal sagen kann: Ein Besuch beim Kieferorthopäden ab dem vierten Geburtstag lohnt sich auf jeden Fall, bei Auffälligkeiten auch früher. Dafür brauchen Sie keine Überweisung. Zwar gilt wie so oft: Je früher man schlechten Angewohnheiten entgegenwirkt, desto besser kann man sie bekämpfen. Aber auch Jugendliche und sogar Erwachsene mit myofunktionellen Störungen sind noch therapierbar – z. B. wenn ein Lispeln im Kindesalter nicht behandelt wurde und erst später störend auffällt.

Fazit:

Die Entwicklung des Gesichts und der Kiefer erfolgt in enger Wechselwirkung zur Funktion. Eine gestörte Funktion (Dysfunktion) hat einen Einfluss auf die orofaziale Form, d.h. unser Aussehen im Gesicht. Eine Zusammenarbeit von Logopäden, Zahnärzten, Kieferorthopäden, Kinderärzten, HNO-Ärzten oder anderen Therapeuten ist wichtig. Eine logopädische Behandlung sollte nach Absprache vor, begleitend und/oder nach einer kieferorthopädischen Therapie erfolgen. Mit einer myofunktionellen kieferorthopädischen und logopädischen Therapie sollte frühzeitig begonnen werden.

 

Quellen:

  • Bartolome G, Schröter-Morasch H: Schluckstörungen: Diagnostik und Rehabilitation. Elsevier. München (2014).  
  • Homem MA, Vieira-Andrade RG, Falci SG, Ramos-Jorge ML, Marques LS. Effectiveness of orofacial myofunctional therapy in orthodontic patients: a systematic review. Dental Press J Orthod. 2014 Jul-Aug;19(4):94-9. 
  • Internetauftritt Deutscher Bundesverband für Logopädie e. V.: Funktionelle orofaziale Störungen (Myofunktionelle Störungen); Link
  • D'Onofrio L. Oral dysfunction as a cause of malocclusion. Orthod Craniofac Res. 2019 May;22 Suppl 1(Suppl 1):43-48. 
  • Van Dyck C, Dekeyser A, Vantricht E, Manders E, Goeleven A, Fieuws S, Willems G. The effect of orofacial myofunctional treatment in children with anterior open bite and tongue dysfunction: a pilot study. Eur J Orthod. 2016 Jun;38(3):227-34. doi: 10.1093/ejo/cjv044. Epub 2015 Jul 1. PMID: 26136435; PMCID: PMC4914902.
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