Funktionelle Kieferorthopädie als Gesundheitsvorsorge Quelle: pexels

Kieferorthopädische Frühbehandlung: Was ist das?

04. Januar 2022

Frühbehandlung in der Kieferorthopädie: Darunter versteht man eine Behandlung, die meist schon im frühen Grundschulalter  oder sogar davor beginnt. Aber wie sinnvoll ist das, wenn im Teenageralter trotzdem nochmal eine Zahnspange notwendig werden kann? Oder ist eine feste Spange dann gar nicht mehr nötig?

Kieferwachstum lenken und Schäden verhindern

Dass zusätzlich zur Frühbehandlung eine Hauptbehandlung notwendig werden kann, muss aber keineswegs bedeuten, dass die Frühbehandlung zwecklos war. Ausgeformte Zahnbögen und ästhetisch ansprechende gerade Zähne haben bei einer Frühbehandlung nämlich nicht oberste Priorität, auch wenn sie ein positiver Nebeneffekt sein können. Vielmehr dient die Frühbehandlung dazu, schädliche Langzeiteinflüsse der Zahnstellung auf das Kiefer- und Gesichtswachstum auszuschalten und so das Wachstum des Kindes schon früh in die richtige Richtung zu lenken. Eine Hauptbehandlung kann dadurch nicht immer vermieden werden, wird aber vereinfacht und oft in Umfang und Dauer erheblich reduziert. 

Da Kiefer nur bis zum 9. Lebensjahr in die Breite wachsen, gilt es, dieses Wachstum rechtzeitig durch die Beeinflussung des Kräftegleichgewichtes positiv zu beeinflussen. Eine Hauptbehandlung kann dadurch nicht immer vermieden werden, aber die Extraktion von bleibenden Zähnen bei ausgeprägtem Platzmangel unnötig machen und die Weichen für eine physiologische Gebissentwicklung, Zungenlage und Atmung werden gestellt. Eine spätere Behandlung kann durch einen frühzeitigen Behandlungsbeginn vereinfacht und in Umfang und Dauer erheblich reduziert werden.

Einige stark ausgeprägte Formen von Zahn- und Kieferfehlstellungen erfordern zudem ein frühes Eingreifen, um das Fehlwachstum überhaupt kieferorthopädisch beeinflussen zu können. Das gilt vor allem für eine Progenie, also ein ausgeprägtes Unterkiefer-Wachstum. Werden solche Fehlstellungen zu spät erkannt, ist das Wachstum des Kindes für eine alleinige kieferorthopädische Behandlung schon zu weit vorangeschritten. Dann bleibt nur noch eine Operation im Erwachsenenalter.

Mundschluss und Nasenatmung: Geheimrezept für gerade Zähne. Kaum zu glauben - aber wahr! | Quelle: pexels

 

Atmung: Kieferorthopädie kann mehr als Zahnspangen

Offene Mundhaltung: Mitursache für ungünstiges Kieferwachsum | Quelle: pexels

Zahnfehlstellungen hängen bei Kindern eng mit Fehlfunktion der Wangen- und Zungenmuskulatur zusammen, wie zum Beispiel einer gewohnheitsmäßig offenen Mundhaltung und einem falschen Schlucken. Ohne korrekte Funktion der Muskulatur – auch Myofunktion genannt – lässt sich langfristig keine stabile Zahnposition erreichen. Genauso ist bei bestimmten Zahn- und Kieferfehlstellungen oft keine korrekte Muskelfunktion möglich. Es empfiehlt sich daher in den meisten Fällen, nicht nur kieferorthopädisch die Zahn- und Kieferfehlstellung, sondern auch die Myofunktion zusätzlich mithilfe von Logopädie zu behandeln. 

 

Schon früh zum Kieferorthopäden!

Früh schon an später denken: Vorstellung beim Kieferorthopäden im Grundschulalter | Quelle: pexels

Fachzahnärzte für Kieferorthopädie sind die Spezialisten für das Kiefer- und Gesichtswachstum. Sie können schon sehr frühzeitig Fehlwachstum diagnostizieren und durch einfache Maßnahmen entgegenwirken und das Wachstum durch funktionelle kieferorthopädische Zahnspangen beeinflussen. Alle Kinder sollten deshalb im Alter von fünf bis sieben Jahren, also um den Zeitpunkt der Einschulung herum, in einer kieferorthopädischen Fachpraxis vorgestellt werden – damit Sie auch sicher nichts verpassen. Auch die gesetzliche Krankenkasse (GKV) hat erkannt, wie wichtig eine Frühbehandlung zur Vermeidung späterer komplexer kieferorthopädischer Behandlungen ist. Deshalb beteiligt sich die GKV entsprechend der kieferorthopädischen Indikationseinstufung (KIG) an den Kosten.  Allerdings gibt es auch ausgeprägte Fehlstellungen und Habits, die ein frühzeitiges therapeutisches Eingreifen erforderlich machen, die von der GKV trotz medizinischer Indikation nicht übernommen werden. Eine Zusatzversicherung kann sinnvoll sein, um diese Lücke zu schließen.

 

Quellen:

  • Das Gesundheitsportal medondo.health
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